Studentendorf Schlachtensee

Zwischen internationaler Bedeutung und Existenzsicherung

Als Eleanor Lansing Dulles, Schwester des amerikanischen Außenministers und vom Office of German Affairs entsandt, mit dem gerade frisch ins Amt gewählten Regierenden Bürgermeister Willy Brandt am 10. Oktober 1957 den Grundstein für das Studentendorf der Freien Universität legte, waren sich beide ohne Zweifel der Bedeutung dieses letzten Geschenks der amerikanischen Regierung an das demokratische Deutschland bewusst. Sie konnten aber in diesem feierlichen Moment noch nicht die bewegte Geschichte vorausahnen, die das Studentendorf in seinen sechzig Jahren nehmen sollte. Auch dass das Studentendorf einmal Zeugnis von weltgeschichtlicher Bedeutung sein und als Architekturikone des demokratischen Bauens internationale Anerkennung erfahren würde, war 1957 noch niemandem bewusst. Die Welt schaute in diesem Jahr wieder einmal auf Berlin und nahm Anteil am unbedingten Willen, Schaufenster der westlichen Welt zu werden. 

In drei Bauabschnitten von 1957 bis 1977 errichtet, ist das Studentendorf Heimat auf Zeit für Menschen aus allen Teilen der Welt. Die Architekten Hermann Fehling, Daniel Gogel und Peter Pfankuch und der Gartengestalter Hermann Mattern haben mit ihrem Entwurf für die ersten beiden Bauabschnitte nicht nur eine Stadtlandschaft ganz im Scharounschen Sinne gebaut, auch der Garten der Aufklärung konnte sinnstiftender nicht realisiert werden, als hier in dieser Siedlung, die in ihren Spitzenzeiten über 1000 Menschen eine Wohnstatt bot. Aber auch das Prinzip des fließenden Raumes, das der letzte Bauhausdirektor Ludwig Mies van der Rohe auf das Feinste formte, wie auch die organische Stadtbaukunst und das faszinierende Zusammenspiel zwischen Natur und Architektur findet auf wunderschöne Weise im Studentendorf ihre Umsetzung.  

Aber nicht nur das Architekturkonzept, auch das Gemeinschaftsmodell spielt eine identitätsstiftende und wesentliche Rolle in der Gestaltung des Studentendorfes. „Demokratie ist als politische Lebensweise von ihrem Ansatz her auf den mündigen Bürger angewiesen“, sagt Adolf Arndt in seinem Vortrag Demokratie als Bauherr und „alles in ihr, auch das Bauen, [muss] darauf angelegt sein […], dem Menschen zu seiner Mündigkeit zu verhelfen und ihn sich in dieser Welt bewusst werden zu lassen, dass er politischer Mensch ist, der zu seinem Teil, wenn auch oft nur bescheidenen Teil, geschichtliche Mitverantwortung trägt“. 

Im Studentendorf der Freien Universität stand der mündige Mensch im Zentrum des Projektes, er zeigt sich an den nicht axialen und fast schon verspielten Fassaden der Wohnhäuser, ihm wurde ein bahnbrechendes Farbkonzept im Inneren der Häuser und eine höchst individuelle Gestaltung zugrunde gelegt und ihm wurde ein kristalliner Putz als Schutzmantel umgelegt, der im Sonnenschein weithin wie ein kostbarer Diamant leuchtet und den es zu beschützen gilt. Hermann Mattern umkränzte das Studentendorf mit einem Dornenwall, um die noch junge Demokratie vor äußeren Feinden zu beschützen und gab ihr mit der griechischen Agora im Zentrum des Dorfes die Bühne zum demokratischen Dialog. 

Das Demokratieprojekt Studentendorf ist in seiner Geschichte oftmals für tot oder zumindest für überflüssig erklärt worden und sollte nach langer Verwahrlosung neu gebaut und dann schließlich abgerissen werden. Es wurde in zwei Anti-Abriss-Kämpfen von vielen Menschen gerettet und behauptet heute kraftvoll seinen Platz als internationaler Wohncampus und als gebautes Glücksversprechen für eine offene und freie demokratische Gesellschaft. Das 1964 eröffnete Haus 14, von einigen die „Kleine Philharmonie“ genannt, wird in den nächsten Jahren seinen Platz als bundesdeutsches Demokratiezentrum, Kultur- und Bildungsort im Berliner Südwesten und für die gesamte Region finden. 

Demokratie- und Partizipations-Schema

Auch künftig werden sich junge Menschen aus aller Welt, ob als Studierende oder Geflüchtete, Künstler oder Kita-Kind sicher und auch wohl im Studentendorf fühlen und zu mündigen und selbstbewussten Menschen heranreifen, um die Welt stets ein wenig besser zu machen. 

Links

Homepage: https://www.studentendorf.berlin/de/ueber-uns/geschichte/