Memmingen – Stadt der Freiheitsrechte
Memmingen war im Jahr 1525 ein Ort, an dem Geschichte geschrieben wurde. Auslöser war eine große Unruhe, die sich in dieser Zeit unter der bäuerlichen Bevölkerung ausbreitete. Wegen drückender Abgaben und überzogener Dienste drängten Bauern im ganzen Reich auf die Linderung ihrer Not. Besonders entschlossen zeigten sich die Menschen zwischen Donau und Bodensee. Der Memminger Laienprediger Sebastian Lotzer fasste die Forderungen der Allgäuer, Baltringer und Bodenseer Bauern in „Zwölf Artikeln“ zusammen.
Im März 1525 versammelten sich deren Vertreter in der Memminger Kramerzunft und verabschiedeten auf der Grundlage der Artikel die „Bundesordnung der christlichen Vereinigung“. Der Bauernkriegsforscher Peter Blickle bezeichnet dieses Statut als einen frühen Verfassungsentwurf und wertet die Niederschrift zusammen mit den „Zwölf Artikeln“ als „einen der wichtigsten Texte des Bauernkrieges“.
Memmingen war nicht ohne Grund zum Versammlungsort gewählt worden. In der Auseinandersetzung um den rechten Glauben und das rechte Leben zeigte sich die Stadt gesprächsbereit. Der Memminger Rat hatte seinen abhängigen Bauern reduzierte Dienste zugestanden und der Reformator Christoph Schappeler predigte in der Kirche St. Martin die Gültigkeit des göttlichen Rechts auch in weltlichen Dingen. Demnach beanspruchten die Bauern als Grundlage ihrer Forderungen nichts anderes als „das Evangelium zu hören und dem gemäß zu leben“. An oberster Stelle stand der „gemeine christliche Nutzen“ und die „brüderliche Liebe“.
Die „zwölf Artikel“ sind der Idee der Würde jedes einzelnen Menschen verpflichtet – eine Vorstellung, aus der wir heute die Universalität der Menschenrechte ableiten. Bundespräsident Johannes Rau bezeichnete die Schrift im Jahr 2000 als frühes Monument der deutschen Freiheits- und Verfassungsgeschichte. Der Memminger Forderungskatalog weist damit weit über seine Zeit hinaus. Die Ereignisse des Jahres 1525 stehen am Beginn eines Ringens um Menschenrechte, das bis heute nicht abgeschlossen ist.
Im Gedenken an dieses historische Ereignis hat die Stadt Memmingen zusammen mit einem bürgerschaftlichen „Kuratorium“ den „Memminger Freiheitspreis 1525“ ins Leben gerufen. Mit der Auszeichnung werden Persönlichkeiten, Verbände oder Initiativen geehrt, die sich im Namen der Menschenwürde für Freiheit, Recht und Gerechtigkeit einsetzen, Machtmissbrauch aufdecken und so motivierende Vorbilder in unserer Gesellschaft sind.
Seit Juni 2020 trägt Memmingen auf Beschluss des Stadtrates den Namenszusatz „Stadt der Freiheitsrechte“. Mit dieser Entscheidung stellt sich die Bürgerschaft der Aufgabe, die Anliegen der Bauern aus dem Jahr 1525 in unsere moderne, pluralistische Gesellschaft zu übertragen.