Brüder-Grimm-Stadt Hanau
Oberbürgermeister Claus Kaminsky zeigt sich erfreut über die Aufnahme der Stadt Hanau in die AG Orte der Demokratiegeschichte: „Damit unterstreicht dieser Zusammenschluss von über 90 Organisationen und Körperschaften die Bedeutung unserer Stadt für die Entstehung und Entwicklung demokratischer Strukturen in unterschiedlichen Epochen der deutschen Geschichte.“
In den historischen Kur- und Badeanlagen fand 1782 ein Freimaurerkongress und 1832 das Wilhelmsbader Fest statt, nach Hambach eines der bedeutendsten politischen Zusammenkünfte des Vormärz. Bereits 1830 wurde am Heumarkt die Maut / das Licentamt gestürmt und die Bürgergarde 1831 in der Johanneskirche verpflichtet.
1837 gründeten Christian Lautenschläger und August Schärttner die bis heute bestehende mitgliederstarke Turngemeinde Hanau. 1848 rang eine Volkskommission dem hessischen Kurfürsten das „Hanauer Ultimatum“ ab, das am 12. März vom Neustädter Rathaus verkündet wurde. Im Juni 1848 wurde in der Wallonisch-Niederländischen Kirche der Deutsche Turnerbund in Anwesenheit von Friedrich Ludwig Jahn gegründet. Der Hanauer Oberbürgermeister Bernhard Eberhard (1795-1860) war von 1848 bis 1850 kurhessischer Innenminister. Sein Nachfolger im Amt August Rühl (1815-1850) war Mitglied der Paulskirchenversammlung, ebenso Jacob Grimm. Über den Vormärz und die Revolution gibt die Hanauer Chronik aus den Jahren 1825-1877 von Wilhelm Ziegler mit vielen Flugblättern und Bekanntmachungen ausführlich Auskunft. Sie befindet sich im Eigentum des Hanauer Geschichtsvereins 1844 e.V. im Kulturforum / Stadtarchiv.
Den 1785/1786 in Hanau geborenen Universalgelehrten Jacob und Wilhelm Grimm, Mitglieder der Göttinger Sieben 1837, wurde 1896 das Nationaldenkmal auf dem Marktplatz gewidmet. Auf dem Freiheitsplatz im Stadtzentrum erinnert seit 2015 ein Denkmal von Robert Schad und Pascal Coupot an den in Hanau geborenen Maler Moritz Daniel Oppenheim (1800-1880), der nach dem Code Civil von Napoleon als erster jüdischer Schüler an der Hanauer Zeichenakademie studieren konnte. 2011 wurde die Hanauerin Elisabeth Schmitz (1893-1977) postum von Yad Vashem zur „Gerechten der Völker“ ernannt. Die Widerstandskämpferin hatte bereits 1935/36 eine Denkschrift „Zur Lage der deutschen Nichtarier“ verfasst, in dem sie die Ermordung der Jüdinnen und Juden voraussah. Seit 2020 erinnert die „Neustadtplastik“ von Claus Bury an der Französischen Allee an die Ansiedlung calvinistischer Glaubensflüchtlinge durch Vertrag mit Graf Philipp Ludwig II. von Hanau-Münzenberg aus dem Jahr 1597.
Die im Kaiserreich und sogenannten „Dritten Reich“ errichteten Kasernenareale im Norden Hanaus wurden nach Freizug durch die US-Army nach der 2. Hessischen Landesgartenschau 2002 und weitergehenden Konversionen inzwischen komplett einer zivilen Nutzung zugeführt. Im Historischen Museum Schloss Philippsruhe mit dem Kinder-Mitmachmuseum GrimmsMärchenReich ist die neue Abteilung „Moderne Zeiten 1848-1946“ zu besichtigen. Im Schloss trat 1946 die erste nach dem Krieg wieder frei gewählte Hanauer Stadtverordnetenversammlung zusammen und war die Stadtverwaltung untergebracht. In trauriger Konsequenz aus dem rassistischen Terroranschlag vom 19. Februar 2020 entsteht am Kanaltorplatz ein Zentrum für Demokratie und Vielfalt.
Durch zivilgesellschaftliche Vereine und Organisationen werden alljährlich mehrere demokratiegeschichtliche Projekte durchgeführt. Aus Anlass des Jubiläums „175 Jahre Revolution“ sind 2023 bereits Veranstaltungen und Projekte in Vorbereitung. Auch ist Hanau aktiver Teil der Kulturregion FrankfurtRheinMain im Arbeitskreis „Geist der Freiheit – Freiheit des Geistes“.