Gegen rechtspopulistische Vereinnahmung
Stellungnahme des SprecherInnenrates der Arbeitsgemeinschaft „Orte der Demokratiegeschichte“
18. Mai 2021
Die Geschichte von Demokratie und Freiheit wird nachhaltig an verschiedenen Orten in der Bundesrepublik Deutschland vermittelt. Dazu zählen insbesondere die Orte der Demokratiegeschichte, konkrete geografische Orte, die durch geschichtliche Ereignisse, Prozesse und Strukturen der Demokratieentwicklung geprägt sind. Orte und Einrichtungen, die sich um das Thema Demokratiegeschichte bemühen, haben sich zur Arbeitsgemeinschaft „Orte der Demokratiegeschichte“ zusammengeschlossen.
Zunehmend erleben verschiedene Einrichtungen der Arbeitsgemeinschaft eine direkte und indirekte Vereinnahmung der Demokratiegeschichte durch rechtspopulistische Gruppierungen. Diese gemeinsame Stellungnahme verdeutlicht die Unvereinbarkeit der Ziele der Arbeitsgemeinschaft mit rechtspopulistischen oder völkischen Positionen.
„Wir können stolz sein auf die Traditionen von Freiheit und Demokratie, ohne den Blick auf den Abgrund der Shoah zu verdrängen. Und: Wir können uns der historischen Verantwortung für den Zivilisationsbruch bewusst sein, ohne uns die Freude über das zu verweigern, was geglückt ist in unserem Land.“
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier macht in seiner Rede am 9. November 2018 deutlich, dass er in der Erinnerungskultur eine stärkere Thematisierung der Demokratiegeschichte als eine zentrale, zusätzliche Komponente für wichtig hält. Dieses Anliegen vertritt auch die Arbeitsgemeinschaft „Orte der Demokratiegeschichte“.
Die Auseinandersetzung mit der Demokratiegeschichte gehört zur Demokratiebildung. Es geht darum, Demokratie in ihrer historischen Entwicklung und in ihren verschiedenen Facetten zu verstehen, sie einordnen zu können, zu erleben, eine Haltung zu gewinnen und danach zu handeln. Die Arbeitsgemeinschaft „Orte der Demokratiegeschichte“ tritt auch dafür ein, Demokratiegeschichte kritisch zu reflektieren, schon allein deshalb, weil sich das Verständnis dessen, was demokratisch ist, stetig wandelt. Demokratie ist ein offener Prozess, eine ständige Suche.
Der „Stolz“, der in den Worten des Bundespräsidenten anklingt, bezieht sich ausdrücklich auf die im Grundgesetz festgeschriebenen Werte, Normen und Rechte. Damit unterscheidet er sich fundamental von der rechtpopulistischen Interpretation der Parole „Stolz, ein Deutscher zu sein“. Diese signalisiert nach dem Antisemitismusforscher Wolfgang Benz „außer dem Wir-Gefühl der Zugehörigkeit den Anspruch auf eine ethnisch geschlossene Volksnation (im Gegensatz zur multikulturellen Staatsnation), und sie zeigt ein Geschichtsverständnis, das die durch die nationalsozialistischen Verbrechen belastete Vergangenheit trotzig ignoriert.“
Das Ziel der Arbeitsgemeinschaft „Orte der Demokratiegeschichte“ ist, Demokratie zu stärken durch die Auseinandersetzung mit der Demokratie- und Freiheitsgeschichte. Dies soll lokal, regional, auf Ebene der Länder, wie auch bundesweit, europäisch und international geschehen. Die Erinnerungsarbeit zu den vielfältigen demokratischen Traditionen ermöglicht jeder und jedem, unabhängig von der Herkunft, eine bessere Orientierung in unserer Gesellschaft.
Die Arbeitsgemeinschaft „Orte der Demokratiegeschichte“ stellt sich entschieden Versuchen entgegen, die Traditionen von Freiheit und Demokratie rechtspopulistisch zu vereinnahmen.